„Es war nie der Plan, drei Sterne zu bekommen“
Seit zwei Jahrzehnten gehört Klaus Erfort zu den besten Köchen der Welt. Sein „GästeHaus“ in Saarbrücken zählt mit zwei Michelin-Sternen zu den bekanntesten Spitzen-Restaurants Europas. Im form.bar-Interview spricht der 49-Jährige über seinen Weg nach oben, Teamarbeit, Bauch-Entscheidungen, Schmerzgrenzen, Stress und Spaß.
Wir sind ja davon überzeugt, dass das Leben formbar ist. Wie haben Sie es geschafft, das Leben zu formen?
War es schon immer Ihr großer Traum, ein berühmter Sternekoch zu werden?
Nein, als Kind fand ich es langweilig, beim Kochen dabei zu sein, hatte mit Gastronomie überhaupt nichts zu tun.
Ich bin da eher durch Zufall reingerutscht über ein Schulpraktikum.
Das hat mir viel Spaß gemacht, das war seinerzeit eine Top-Adresse im Saarland, einfach eine schöne Umgebung.
Und die Arbeit in der Küche, die straffe Organisation und der genau geplante Ablauf, hat mir auch ein bisschen
Halt gegeben damals.
Sie hatten keine einfache Kindheit…
Ich habe sehr früh meine Mutter verloren. Das war kurz vor meinem 7. Geburtstag und das war natürlich ein sehr
einschneidendes Erlebnis.
Aber dieser Schicksalsschlag hat auch enorme Kräfte freigesetzt später. Hat mir die Kraft gegeben, in meinem
Beruf loszurennen und immer mit voller Power in der Küche zu stehen.
Wann sind Sie losgerannt?
Ich habe mit 15 die Ausbildung begonnen und bin dann tatsächlich eigentlich nur noch gerannt.
Erst im Saarland, dann in verschiedenen Häusern in Deutschland, auch in sehr bekannten wie dem Restaurant
Bareiss und der Traube Tonbach.
Und mit 21 Jahren habe ich dann relativ früh Verantwortung übernommen als Küchenchef im Parkhotel Gegenbach in
Völklingen. Dort wurde ich auch erstmals mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
Sterne-Koch mit Anfang 20?!
Ja, das ist schon irre. Heute weiß ich, dass man dann irgendwann zwischendrin auch mal unter die Räder kommt,
weil man vergessen hat zu leben.
Das hole ich heute manchmal nach. Offen gesagt, vielleicht haben wir deswegen auch den dritten Stern verloren.
Aber irgendwann nimmt man sich etwas Zeit für sich zurück.
„Man kann nicht immer nur rennen“
Das Leben ein bisschen mehr genießen und auch mal am Meer sein?
Ja, auch mal Ibiza oder Saint-Tropez. Man kann nicht immer nur rennen.
Vor allem in einem Beruf wie dem Ihren mit anstrengenden Arbeitszeiten und Dauer-Stress. Die Küche gilt auch
als Ort, wo es verbal hart zur Sache geht. Stimmt das?
Das ist so gewesen, aber diese Zeiten sind vorbei. Das hat sich sehr gewandelt, das lässt sich zurecht ja auch
keiner mehr gefallen.
Wir müssen ja alle schauen, dass wir gute Mitarbeiter bekommen, die kannst du nicht beschimpfen, denen musst du
etwas bieten.
Wir haben hier in Saarbrücken im „GästeHaus“ zum Beispiel Samstag und Sonntag Ruhetag.
Ein ungewöhnlicher Schritt…
Ich sag mal, da braucht man schon breitere Schultern, weil das am Anfang auf viel Unverständnis gestoßen ist.
Tenor:
Wie kann er sich das bloß erlauben, wie kann er so arrogant sein, am Wochenende zuzusperren?
Das versteht von außen kein Mensch. Da werden einem am Telefon schon auch Vorwürfe gemacht, manche werden
richtig unverschämt.
Beim Gast kommt das weniger gut an, doch für die Mitarbeiter ist das toll. Und wenn man es wirtschaftlich
betrachtet, macht das auch Sinn.
„Du brauchst ein gutes Team, sonst kannst du nichts bewegen“
Gourmets sind also nicht auf Wochenenden angewiesen. Woher kommen Ihre Gäste?
Aus ganz Deutschland, vor allem aber aus der Großregion Saarland, Rheinland-Pfalz, Frankreich, Luxemburg,
Belgien.
Natürlich habe ich inzwischen einen gewissen Status erreicht, davon lebt man mittlerweile. Und von den vielen,
vielen Kontakten der vergangenen Jahre.
Mal wegzugehen aus dem Saarland, das ist keine Option?
Ich weiß es nicht, man muss einfach mal schauen, was die Zukunft bringt. Es ist schon die Frage, wo man seinen
Lebensabend verbringen will.
Ich komme ja jetzt mit 50 ins letzte Drittel des Lebens rein und da macht man sich schon so seine Gedanken.
Was motiviert Sie, dieses harte Business Sterne-Küche immer weiter durchzuziehen?
Weil wir tolle Gäste haben und weil es wahnsinnig viel Spaß macht. Gerade im Saarland. Im bundesweiten Vergleich
isst und trinkt man hier überdurchschnittlich gut.
Neulich waren einige Herren aus Hamburg da, die haben Bilder gemacht ohne Ende und haben das alles gepostet. Die
sagen ganz klar, dass es in Hamburg sowas nicht gibt oder nicht so.
Außerdem bin ich gerne unterwegs, Cannes, Monaco, Saint-Tropez, Ibiza, Mallorca, man lernt mittlerweile viele
Leute kennen, ist viel eingeladen.
Das ist schon spannend und das motiviert auch, das Ganze weiterzumachen.
Weitermachen, weiter erfolgreich sein – was ist für Sie die wichtigste Eigenschaft, um Erfolg zu haben?
Sehr konzentriertes und diszipliniertes Arbeiten. Und dann brauchst du ein gutes Team, ohne kann ich nichts
bewegen. Das ist natürlich auch schwierig, so ein Team aufzubauen.
Die einzelnen starken Charaktere zu einer Einheit zu formen, das ist schon eine Aufgabe. Die müssen alle
klarkommen miteinander. Wir haben ja nie nur einen 8-Stunden-Tag.
„Die Schmerzgrenze ist bei uns weiter als anderswo“
Disziplin und viel arbeiten, sind das die Schlüssel?
Klar ist unser Beruf arbeitsintensiv, Gastro ist ein verdammt harter Job. Aber meine Leute sind extrem fleißig.
Die Schmerzgrenze ist bei uns schon ein bisschen weiter als anderswo.
Ich musste dieses Jahr auch schon mit einem Bandscheibenvorfall arbeiten. Oder habe bei brütender Hitze von
morgens 8 bis nachts um 1 Service mitgemacht, bin gerannt wie ein Verrückter...
In der Gastro kann man sich nicht verstecken…
Nein, und deswegen ist es auch nur gerecht, dass wir jetzt am Wochenende Ruhetage haben, um auch die Leute am
Ball zu halten. Das ist irgendwo eine logische Konsequenz.
Klar könnte ich sagen, ich mache 7 Tage die Woche auf und 20 % mehr Umsatz.
Aber das bringt mich unterm Strich auch nicht weiter, wenn ich die Mitarbeiter dafür nicht habe. Oder sie kaputt
mache.
Wie fit muss man in der Küche auch körperlich sein?
Ich habe jede Woche einen festen Termin bei meinem Personal-Trainer. Braucht man, um fit zu sein für den ganzen
Wahnsinn hier. Mir geht es seither definitiv besser.
„Da habe ich eine Wahnsinnskraft entwickelt“
Wenn Sie zurückblicken: Was war ausschlaggebend dafür, dass Sie von einem guten Koch zum Weltklasse-Koch
werden konnten?
Ich glaube, entscheidend war wirklich auch der Verlust aus der Kindheit, da hat man schon eine Wahnsinnskraft
entwickelt, dass man den Weg so gehen kann.
Es gehört natürlich Talent dazu und man braucht Empathie für die Gäste.
Am Ende geht es bei uns darum, dass wir Dinge ausprobieren und Besonderes entstehen lassen.
Das ist hier immer unser Weg gewesen, dass wir eine relativ unspektakuläre Küche gemacht haben, mit wenig
Bestandteilen, aber dass wir immer das Maximum rausgeholt haben.
Es war auch nie irgendwie der Plan, drei Sterne zu bekommen. Ich habe mich vor 20 Jahren selbstständig gemacht,
da wollte ich schon irgendwann mal einen Stern haben und dann fröhlich vor mich hin kochen.
Aber das hat letztendlich eine eigene Dynamik bekommen. Die Gäste haben einen gefordert, haben den Weg
vorgegeben.
Bis an die Spitze – über zehn Jahre 3 Sterne, jetzt 2 Sterne. Insgesamt sind Sie seit fast 30 Jahren
besternt!
Sie waren mehrfach Koch des Jahres und haben viele weitere Auszeichnungen gewonnen.
Wie sehr hat Sie der Verlust der dritten Sterns getroffen?
Es kann nicht immer nur bergauf gehen, Bayern gewinnt auch nicht jedes Jahr die Champions League… Ganz ehrlich:
Wir waren 13 Jahre dabei aus eigener Kraft, wir sind ja immer noch ein 2-Sterne-Restaurant, wir sind ja immer
noch weit vorne.
Ich muss ja nicht mit drei Sternen ins Grab gehen. Als der dritte Stern weg war, hat mir ein Freund geschrieben:
„Ist doch egal, du bist doch ohnehin schon eine Legende.“
So etwas freut einen natürlich. Insgesamt hatten wir einen Wahnsinnszuspruch. Dass wir abgewertet wurden, kann
bis heute niemand so richtig nachvollziehen.
„Wenn man den Spaß verliert, hat man ein Problem“
Sie haben das Saarland als Genussregion maßgeblich geprägt. Einige ehemalige Mitarbeiter haben heute selbst
Sterne, die „Erfortianer“…
Was wir bewegt haben, das ist schon schön zu sehen. Landwerk, La Maison, Esplanade: Wir haben rundherum ein paar
Sterne verteilt und viel für die Entwicklung beigetragen, das ist auch sehr wichtig.
Am Ende wichtiger als der dritte Stern. Das wird ja alles so ein bisschen unterschätzt und ist immer in unserer
Neid-Gesellschaft auch schnell ein Thema:
Gut, dass er seinen dritten Stern verloren hat, der fährt ja nur noch Porsche. Ein bisschen ist das die deutsche
Mentalität, traurig.
Mit oder ohne Porsche – der Alltag in der Sterneküche klingt extrem spannend.
Die Herausforderung ist eigentlich, und das verstehen viele nicht, so ein bisschen das Surfen durch die
Gesellschaft.
Sie müssen mit dem Spüler genauso gut umgehen können wie mit einem Multimillionär.
Das macht das Ganze tatsächlich spannend, diese ganzen Gesellschaftsschichten, durch die man sich da bewegt.
Das ist nicht immer einfach und man macht sich auch nicht immer nur Freunde. Aber man darf sich auch nicht über
alles aufregen.
Klingt so, als würde der Spaß klar im Vordergrund stehen.
Bei dem Aufwand und bei der Intensität der Zeit, die man hier verbringt, muss Spaß dabei sein, wenn man den
verliert, hat man ein Problem. Aber ich habe genauso mal ein Tief wie jeder andere auch.
„Die Idee ist mega und die Möbel sind wahnsinnig schön und ästhetisch“
Entscheiden Sie vor allem aus dem Bauch heraus?
Ja, ich bin ein sehr emotionaler Mensch. Natürlich muss man sich über die Konsequenzen bewusst sein.
Aber manchmal ist es gut, wenn man nicht zu viel über Sachen nachdenkt. Dann zerdenkt, zerredet man alles.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Unser Spruch ist immer: Die Wahrheit liegt auf dem Teller.
Was gefällt Ihnen an form.bar?
Mich fasziniert das Organische, das Lebhafte. Die Idee ist mega und die Möbel sind wahnsinnig schön und
ästhetisch.