„Das ist meine Welt.“
Riesige Investitionen, unglaubliche Achterbahnfahrten und Monstrositäten von Maschinen. Nein, das Leben von Schreiner Martin Maierhofer ist nichts für schwache Nerven. Auch wenn der 52-jährige Bayer sich stets nach Wendepunkten zu neuen Höhen aufgeschwungen hat. Wie er das gemacht hat, was das mit form.bar zu tun hat und warum man einfach auch mal Zwetschke nehmen sollte, wenn das Leben einem Eiche-Rustikal anbietet, erzählt Maierhofer im Interview mit unserem Magazin.
Hallo Martin, vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Erzähl doch zum Einstieg mal, wer du bist?
Gerne. Also ich bin Martin Maierhofer, 52 Jahre alt, komme aus Bayern und bin ein
Schreiner, der das Ganze jeden Tag aufs Neue aus Leidenschaft macht. Ich wollte schon immer
Schreiner werden; schon ab der 1. Schulklasse. Ich bin ein Mensch, der irgendwann von der
Berufsberatung heimgekommen ist, die ihm geraten hat: „Schreiner, macht man nicht! Das hat
keine Zukunft mehr!“ Ich habe doch Schreiner gelernt, ein paar Sachen ausprobiert. Und der 7.
Betrieb war dann mein eigener. Er ist es bis heute. Ich bin jetzt seit 25 Jahren selbstständig.
Herzlichen Glückwunsch!
Dankeschön. Ich will dieses Leben auch nicht missen. Es macht einfach nur Spaß.
Hast du dabei den klassischen Schreiner:innen-Weg durchlaufen?
Korrekt! Ausbildung, drei Jahre danach Gesellenzeit. Dann der Meister. Dann war ich
mitarbeitender Meister, danach Meister in einem Betrieb und irgendwann hatte ich eigene
Gesellen.
Beschreib mal deinen eigenen Betrieb.
Momentan sind wir neben mir noch meine Frau, ein Geselle, ein Lehrling, ein
Geringfügig Beschäftigter und ein Meister, den ich über Instagram kennengelernt habe. Er
arbeitete damals in den USA, stammt gebürtig aus dem Norden in Deutschland und wollte schon
immer im Süden arbeiten. Ich habe ihm ein Angebot gemacht und er ist aus Amerika zu uns
gekommen.
„Ich bin jetzt seit 25 Jahren selbstständig“
Instagram-Recruiting klingt nach moderner Berufseinstellung.
Auf jeden Fall. Das Bild des klassischen Schreiners hat sich komplett in meinen 34
Berufsjahren verändert.
Beschreib das mal genauer.
Ich habe früher Möbel mit einer Monstrosität von Fünfach-kombinierter Maschine
gebaut. Total umständlich. Aber total normal. Vor 25 Jahren rechnete sich das noch. Heute könnte
ich so kein Geld mehr verdienen. Du musst schon deutlich moderner in der Werkstatt aufgestellt
sein, auch wenn die Technik schon ein Schweinegeld kostet. Ohne sie kannst du aber nicht
bestehen, keine modernen Designs fertigen. Beispielsweise die Möbel von form.bar. Sie sind zwar
minimalistisch, haben aber hohe Ansprüche an die Produktion. Steckmöbel verzeihen keine
Fehler.
Wann hast du den Betrieb umgestellt?
Vor sechs Jahren. Da war ich gefühlt am Ende mit der Schreinerei.
Wieso das?
Mein letzter Lehrling hatte aufgehört. Der nächste Lehrling, der hätte anfangen
sollen, ist nicht gekommen. Dessen Vater hatte eine eigene Schreinerei und er hat statt der Lehre
bei mir sofort dort angefangen. Ich war allein. Und alleine konnte ich mit den bestehenden
Maschinen und den Anforderungen an das Schreiner-Handwerk nicht arbeiten. Ich stand plötzlich
vor der Frage: Aufhören oder richtig viel Geld in die Hand nehmen, in Maschinen investieren und
mich so aufstellen, dass ich alleine produzieren kann. Ich habe in Technik investiert. Kurioserweise
kommen jetzt immer mehr Menschen, die für mich arbeiten wollen. Moderne Fertigungstechniken
wie CNC-Fräsen sprechen junge Leute einfach an.
Was hättest du gemacht, wenn du aufgehört hättest?
Wahrscheinlich Montagen-Dienste. Baustellen und so Sachen. Ich liebe aber einfach
das Produzieren. Das ist meine Welt. Deshalb bin ich froh, dass es so gekommen ist.
Wieviel hast du dann investiert?
Fast eine viertel Million Euro. Es war einfach meine komplette Werkstatt nochmal in
eine Maschine gepackt. Plus Software. Ich habe mir auch im vergangenen Jahr extra für die
form.bar Möbel eine neue Schnittstelle programmieren lassen, um die Daten von form.bar
schneller auf meiner Maschine generieren zu können. Das waren nochmal 9000 Euro. Vorher hatte
es fast 1 1/2 bis 2 Stunden gedauert, bis ich die form.bar-Daten auf meiner Maschine hatte und
fräsen konnte. Jetzt ist das Programm in zehn Minuten fertig und das Teil wird gefertigt.
Wie bist du ins form.bar-Netzwerk gekommen?
Das war kurz nachdem ich diese riesige Investitionen gemacht hatte. Da hatte ich in
einer Zeitschrift einen Artikel über form.bar gelesen. Ihr hattet dort gezielt Schreiner in
Deutschland angesprochen, dass sie sich bei euch melden können. Ich habe angerufen und zu
Sandro (Quaranta, Anm. d. Redaktion) direkt einen guten Draht gehabt. Er war direkt Feuer und
Flamme. Ihr hattet in der Zeit noch keinen Schreiner in der Gegend. Seit 2018 produziere ich
jetzt schon für form.bar. Inzwischen ist es für uns ein zusätzliches Standbein geworden. Dank
Form.bar kann ich in einer digitalen Welt Aufträge generieren, in der ich als kleiner Schreinerei-
Betrieb hätte nie Fuß fassen könnte. Das wäre ein Ding der Unmöglichkeit.
Und wie ist arbeiten mit form.bar?
Das ist schon was ganz Besonderes. Niemand um die Ecke macht das gleiche
Produkt. Du kannst dich damit Abheben. Ich habe selbst ein form.bar-Regal in unserer
Ausstellung stehen. Es spricht Kunden völlig an. Du machst als Schreiner einfach etwas anderes.
Das sehen die Leute. Meistens ist es auch etwas aufwendiger. Viel Arbeit. Das macht aber nichts.
Denn es ist klassisches Schreiner-Handwerk modern ausgelebt. Meine ganzen Aufträge sind ja
quasi immer Sonderanfertigungen. Ich habe selten irgendwelche Serien. Kein Teil ist gleich. Und
das ist bei form.bar schon zwei Mal gegeben. Es ist immer spannend mit euch.
„Niemand um die Ecke macht das gleiche Produkt“
Das Kompliment geben wir gerne an dich und alle anderen Schreinereien in unserem Netzwerk
zurück: Ohne euch würde form.bar nicht funktionieren. Ihr seid das Bindeglied zwischen Online-
Konfigurator und Kund:innen… unsere Botschafter.
Und das kommt auch bei den Menschen rüber, finde ich. Du wirst immer freundlich
aufgenommen. Das macht einfach Spaß, die Sachen auszuliefern, weil du einfach immer
zufriedene Kunden siehst. Die sind voller Vorfreude auf ihr selbst designtes Stück. Sie sehen es ja
zum ersten Mal, wenn wir damit durch die Tür kommen. Sie halten in dem Moment zum ersten
Mal in Händen, was sie selbst erschaffen haben. Und sie sehen: Das Teil wurde nicht irgendwo in
einer Fabrik zusammengeklopft, sondern von einem Schreiner aus ihrer Nähe, den sie persönlich
kennen oder zumindest kennenlernen.
Wie ist das Arbeiten mit Designer:innen - wie Michael Hilgers. Du stellst ja auch immer wieder
Prototypen her. Auch die für die Kooperation, die wir mit Hilgers aufgebaut haben.
Designer oder auch Architekten denken schon anders, mehr ans Design, weniger an
die Fertigung. Plakativ gesagt: Es ist oft unser Problem, wie man das Produkt hinkriegt. Aber am
Ende kommen dabei meistens tolle Sachen heraus. Deshalb ist das Arbeiten mit Designern super
lehrreich. Klar, es kostet mehr Geld, als es uns einbringt. Es ist richtig viel Arbeit. Viele Telefonate.
Viele Abstimmungsrunden und zahlreiche Produkt-Varianten. Aber Hilgers ist toll, ein sehr
angenehmer Mensch. Sehr offen. Er hat unser Know-how zu schätzen gewusst. Und am Ende
haben sich alle Seiten unglaublich viel Wissen angeeignet.
Hast du ein Möbelstück, das dir über die Jahre besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Mein Meisterstück. Eine Geschirrvitrinen-Schrank-Kombination. Ein auf den Kopf
gestelltes Dreieck, mit Seitenteilen, Schiebetüren, die über den Korpus aufgehen. Alles aus
gedämpftem Ahorn. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Zeit investiert in ein einziges
Möbelstück.
Würdest du nochmal so ein Möbelstück bauen?
Aus heutiger Sicht? Vermutlich eher nicht. Das Produkt war sehr aufwendig. Aber
wer weiß, wenn ich mal etwas Zeit hätte, was mir Verrücktes einfällt.
Das Wissen um nachhaltige Prozesse ist wichtig. Wie gehst du damit in deinem Alltag um?
Zum einen investieren wir in vernünftiges Equipment, Ich kaufe lieber eine gute
Maschine als zwei, drei Mal etwas billiges, das dann schnell kaputt geht. Unser großer Hebel ist
aber die Holzauswahl. Ich versuche so weit es möglich ist, regionales Holz zu verwenden. Ich bin
kein Freund von Tropenhölzern oder sonst was. Wir müssen doch keine Regenwälder abholzen,
um bei uns schöne Möbel zu haben. Das ist doch irrsinnig. Es gibt in Europa schöne Sachen. Es
gibt viele Möglichkeiten, nachhaltig bewirtschaftete Hölzer zu kaufen, die schön aussehen. Es
liegt an uns Schreinern, Designern, Fabrikanten, wie wir sie in Szene setzen.
Welche Hölzer hast du hauptsächlich im Einsatz?
Eiche ist das große Thema.
Warum?
Der warme Farbton. Die Robustheit. Widerstandsfähig. Es ist einheimisch. Auch die
gute Verfügbarkeit spielt eine Rolle. Dabei war Eiche mal tot. Es wurde bis in 80er Jahre inflationär
benutzt. Alles war Eiche. Die Schrankwand. Das Geländer. Der Tisch, egal. Eiche, Eiche. Eiche.
Und alles musste immer noch brutal gebeizt werden. Davon mussten sich die nachfolgenden
Generationen erstmal erholen. Und jetzt kaufen sie auch Eiche. Seither gehen wir aber sensibler
mit dem Holz um. Nicht so rustikal. Feiner. Das Holz strahlt so eine angenehme Wärme aus. Und
was man mit Eiche alles machen kann, ist genial.
Klingt so, als wäre Eiche dein Lieblingsholz?
Nein, gar nicht. Mein Favorit ist Birnbaum. Birnbaum ist was richtig feines. Ich habe
mein Esszimmer aus Birnbaum gemacht. Mein Schlafzimmer aus Birnbaum. Meine Küche. Es ist
ein schöner rötlicher warmer Farbton. Was auch sehr schön ist, ist Zwetschge. Das geht von fast
gelblich-weiß bis lila. Das Holz hat ein Farbspektrum ohne Ende. Ein Traum an Farbenspiel.
Einfach wunderschön. Holz ist einfach schön.
Finden wir auch. Danke dir für das Interview
Ich danke euch auch.