„Du musst die Wahrscheinlichkeit für Erfolg erhöhen - dazu gehört Mut“
Mit Anfang 50 geht Arno Strobel volles Risiko: Er kündigt seinen sicheren Bankjob, um endlich das zu machen, was er wirklich will: Bücher schreiben. Sein Mut wird belohnt: Strobel legt eine Bilderbuchkarriere hin und zählt spätestens seit seinen Bestsellern „Die App“ und „Offline“ zu den erfolgreichsten deutschen Autoren mit weit über zwei Millionen verkauften Büchern. Im form.bar-Interview spricht er über die Gründe für seinen Erfolg, über Zeitdruck, Kreativität, Angst und Ehrgeiz.
Lieber Arno, du lebst deinen Traum als Schriftsteller, Millionen Menschen lieben deine Bücher. Das
Wichtigste, um Erfolg zu haben, sei Ausdauer und Glück und Glück, hast du mal gesagt. Gilt das noch?
Auf jeden Fall. Ganz talentfrei sollte man nicht sein, aber es ist wie in allen kreativen Berufen, ob als
Musiker, Schauspieler oder eben Autor:
Zu 95 % wirst du keinen Erfolg haben. Allein in Deutschland gibt es 100000 neue Bücher pro Jahr, doch die
allerallerallermeisten Autoren können von ihrem Beruf nicht leben oder nur gerade eben so.
Nur eine kleine Spitze kann das einigermaßen, ganz wenige leben gut davon.
Was hast du, was andere nicht haben?
Glück. Definitiv. Ich lerne so viele Leute kennen und lese auch viel richtig Gutes von Leuten, die aber völlig
unbekannt sind, weil sie nicht das nötige Glück hatten.
Es ist so schade, weil so viel Gutes geschrieben wird, das kaum jemand zu lesen bekommt, toll erzählte
Geschichten. Dass ich ein Wahnsinnsglück habe, mache ich mir immer bewusst.
„Wichtig ist, dass man dranbleibt, sich festbeißt“
Aber du hast viel für dieses Glück getan, hast dein Leben nach deinen Wünschen geformt…
Natürlich, aber Disziplin, Durchhaltevermögen und so weiter, das sind alles Grundvoraussetzungen, die musst du
sowieso mitbringen.
Wenn jemand meint, er schreibt ein Buch und schickt es an 20 Verlage, dann wird es schon einer nehmen, und wenn
nicht, dann Pech gehabt – da muss ich sagen: Sorry, das kann nicht funktionieren.
Dass man dranbleibt, sich festbeißt, es immer wieder auf verschiedene Arten versucht, das ist die Basis, ohne
die geht es auf keinen Fall.
Also weitermachen, immer weiter?
Man muss die Wahrscheinlichkeit für Erfolg erhöhen. Dazu gehört Mut. Als sich am Anfang kein Verlag für mein
Buch interessierte, ich nur Absagen bekam, hätte ich aufgeben können.
Stattdessen bin ich ins Risiko gegangen, hab eigenes Geld in die Hand genommen und 1000 Exemplare drucken zu
lassen. Das hat einige Tausend Euro gekostet.
Dann bin ich von Buchhandlung zu Buchhandlung gefahren, um „Magus - Die Bruderschaft“ unter die Leute zu
bringen. So ist der Stein ins Rollen gekommen.
Die Bücher gingen so gut weg, bald konnten wir eine zweite Auflage drucken.
„Ich wollte es unbedingt“
Du hast für deinen Traum gekämpft…
Ich wollte es unbedingt, habe fest daran geglaubt. Trotzdem war es ein Glücksfall, dass ein Mitarbeiter eines
bekannten Verlages das Buch entdeckt und seinem Cheflektor empfohlen hat.
Zwei Jahre vorher hatte derselbe Verlag das Buch noch abgelehnt. Wäre der gute Mann an jenem Tag nicht in genau
diese Buchhandlung reinmarschiert, wäre vieles wahrscheinlich anders gekommen.
Doch du hast das Glück beeinflusst…
Ich habe mein Möglichstes getan. Aber es ist nicht automatisch so, dass man für seine Mühe belohnt wird, man
kann das nicht erzwingen – aber eben die Wahrscheinlichkeit erhöhen.
Also ähnlich wie im Sport, beim Tennis zum Beispiel?
So ähnlich, aber beim Tennis kannst du Erfolg klar festmachen an Ergebnissen, Sieg oder Niederlage. In der Musik
oder mit Büchern hast du das nicht.
Die einzige Chance, wirklich nach oben zu kommen ist, dass du mehrmals hintereinander zum richtigen Zeitpunkt
die richtigen Leute triffst, die dann die richtigen Ideen haben.
Aber musst nicht du die richtigen Ideen haben?
Ich schreibe das Buch, klar, natürlich muss ich Ideen haben und die Ideen aufschreiben können.
Nur: Das fertige Buch nutzt nichts ohne Verlag, der bereit ist, es zu drucken und bestenfalls zu vermarkten.
Das Problem ist, dass die Verlage jeden Tag hunderte Manuskripte unaufgefordert zugeschickt bekommen, die müssen
im Schnellverfahren gesichtet werden.
Diese Hürde musst du überwinden, das ist Schritt 1, ein Riesenschritt.
Dann musst du – Schritt 2 – im Verlag Menschen haben, die fest an dich glauben, die Geld investieren wollen,
damit dein Buch sichtbar wird. Dann kommt Schritt 3:
Die Buchhändler müssen bereit sein, 10 oder 20 Exemplare zu ordern und sie dann auch entsprechend zu
präsentieren im Laden.
Wenn mein Buch irgendwo hinten im Regal verschwindet, dann waren alle vorherigen Schritte, die schon großes
Glück bedeutet haben, umsonst.
Dann ist dein Buch immer noch nicht verkauft und wird es wahrscheinlich auch nicht.
„Vor Niederlagen fürchte ich mich nicht“
Ein langer, steiniger Weg…
Ja. Und erst dann, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, das Buch sichtbar ist und die Leute es kaufen, auch
wenn sie deinen Namen nicht kennen,
erst dann kommt es auf die Qualität des Buches selbst an. Ist es gut genug? Und ist es so gut, dass die Leute es
weitererzählen und wieder ein Buch von dir kaufen, wenn ein neues kommt.
Das alles muss funktionieren, wenn eine Sache nicht funktioniert, ist Feierabend.
Du hast mit Anfang 50 deinen sicheren und gut bezahlten Job als Informatiker bei einer Bank in Luxemburg
gekündigt, um dich ganz dem Schreiben zu widmen. Eine krasse Entscheidung. Wie triffst du Entscheidungen?
Aus dem Bauch heraus. Natürlich im Rahmen gewisser Leitsätze. Grundsätzlich aber rein nach Gefühl.
Ein paar Mal bin ich damit auf die Schnauze gefallen, aber fast immer war es so, dass Niederlagen für etwas gut
waren. Deshalb fürchte ich mich nicht vor Niederlagen.
Die Kündigung bei der Bank hätte ein großer Fehler werden können…
90 Prozent der Leute, die davon erfahren haben, haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und mich für
verrückt erklärt.
Wie kannst du nur diesen guten Job aufgeben, was machst du in zwei Jahren, wenn keiner deine Bücher kauft?
Was war deine Antwort?
Dann mache ich was anderes. Da bin ich ohne Angst. Ich bin zu 100 % überzeugt, ich werde immer Geld verdienen
können.
„Wenn man es wirklich will, schafft man es auch“
Woher kommt diese Überzeugung?
Ich weiß es wirklich nicht. Sicher hat es mit meinem Werdegang zu tun. Mein Vater hatte klare Vorstellungen, was
ich machen soll, doch dagegen habe ich mich aufgelehnt.
Ich bin mit 15 mit Hauptschulabschluss von der Schule und habe eine Lehre zum KFZ-Mechaniker gemacht, dann bin
ich zur Bundeswehr.
Erst danach reifte in mir die Erkenntnis: Ich muss doch was anderes machen, als an Autos rumzuschrauben, ich
muss doch Abitur machen und studieren.
Aber ich musste diese Erfahrungen sammeln, um Lehren daraus zu ziehen. Man muss das selbst erleben, es nutzt
nichts, wenn es dir andere erzählen.
Denn du musst das im Hinterkopf haben, wie das war und was nicht gut war und dann den Ehrgeiz entwickeln, es zu
ändern.
Ich brauche negative Erfahrungen, um den Antrieb zu haben, es besser zu machen.
Diese Charakterstärke hätten viele gern…
Ganz ehrlich: Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Menschen unzufrieden sind und sich darüber beklagen, zum
Beispiel über ihren Job jammern.
Ich kann doch nicht, grob gesagt, die Hälfte meines Lebens etwas tun, worauf ich keinen Bock habe. Natürlich
gibt es dafür immer auch Gründe und äußere Einflüsse.
Doch ich bin der Meinung, ganz egal, wie beschissen eine Situation ist, wenn man es wirklich will, da raus zu
kommen, dann schafft man es auch.
Nicht jeder hat die Energie dafür, oder?
Wenn man es nicht macht, zu träge oder zu ängstlich ist, okay, das ist dann eine Entscheidung, nur sollte man
dann nicht meckern. Wenn du meckerst, ist das ein Zeichen, dass es Zeit wird, etwas zu tun.
Etwas tun, sein Leben in die Hand nehmen, es formen, ist das ein Leitmotiv deines Lebens?
Absolut. Ich habe es mir sogar auf den Unterarm tätowieren lassen – „Faber est suae quisque fortunae“, also
„Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ oder auch, anders übersetzt, der Handwerker seines Glücks.
„Die Idee von form.bar ist genial“
Wow. Das passt sehr gut zu form.bar. Bei uns kann ja auch jeder selbst entscheiden, wie sein Möbel genau
aussehen soll. Wie gefällt dir form.bar?
Ich find‘s geil. Nicht nur das Wortspiel, sondern das ganze Konzept. Was euch auszeichnet, kann ich ganz klar
sagen und das ist auch keine Bauchpinselei, sondern meine ehrliche Meinung:
Ihr habt genau das, was wichtig ist, ein Alleinstellungsmerkmal. Die Idee, dass man sein Möbel im Netz frei
gestalten kann und die Daten digital an einen Schreiner gehen, das ist genial.
Es fördert die Kreativität der Menschen. Und aus dem vollkommen passiven Akt des Kaufens wird ein aktiver Akt
des Gestaltens. Das gibt einem ein ganz anderes Gefühl und verändert den Bezug zum Möbel.
Bei dir hat man auch das Gefühl, dass du deine Leser teilhaben lassen möchtest an deinem Leben, du bist sehr
aktiv in den Sozialen Medien. Warum?
Mir ist die Nähe zu den Lesern einfach extrem wichtig. Denn ich kann mich noch genau erinnern, als ich mit dem
Lesen angefangen habe, da hatte ich dann irgendwann meine Lieblingsautoren,
aber man ist damals nicht an die rangekommen. Die standen eher auf einem Sockel. Internet gab es noch nicht, ein
Autogramm war das höchste der Gefühle. Das fand ich so schade.
Welche Autoren waren das?
Ganz am Anfang Karl May. Später dann auf jeden Fall Stephen King, von ihm habe ich alles „gefressen“.
Aber auch Simmel oder Konsalik habe ich weggelesen wie nix, vier, fünf Tage, dann musste das nächste Buch her.
Sich mit solchen Leuten mal zu unterhalten, Fragen zu stellen, das hätte ich schön gefunden, aber das war
einfach nicht drin.
Deshalb ist es mir heute wichtig, ansprechbar zu sein, weil man ja auch die technischen Möglichkeiten hat. Und
die Leute danken es dir.
Ich kann sagen, ich habe ein wunderbares Verhältnis zu meinen Leserinnen und Lesern.
„Es gibt immer eine Lösung, immer“
Welches deiner Bücher ist eigentlich das beste?
Alle (lacht). Herzblut steckt in jedem und jedes hat für mich was ganz Besonderes, klar. Von daher ist es
schwierig, ein Buch hervorzuheben.
Manche ragen wegen bestimmter Ereignisse heraus. Mit „Der Trakt“ zum Beispiel habe ich es erstmals in die
Bestsellerliste geschafft.
„Offline“ war das erste Buch auf Platz 1 der „Spiegel“-Bestsellerliste, auch sehr besonders natürlich.
So ein Hidden Champion ist „Das Dorf“, ein Buch, das sehr polarisiert, weil es extrem psychedelisch ist: Die
einen finden es super, für andere ist es großer Mist.
Hast du nicht die Sorge, dass dir die Ideen ausgehen?
Nee, manchmal überlege ich eine Woche lang, wie es weitergeht, aber ich weiß, es gibt immer eine Lösung, immer.
Dieses Vertrauen habe ich.
Stimmt es, dass du unter Zeitdruck am produktivsten bist?
Leider. Ich habe das relativ früh festgestellt. Und daran hat sich nichts geändert.
Oft lasse ich so viel Zeit verstreichen, bis irgendwann der Punkt kommt, an dem ich wirklich das Gefühl bekomme:
Mist, das schaffe ich nicht mehr. Und dann lege ich los.
Zum Abschluss: Hast du einen Tipp für junge Leute?
Lesen! Viel lesen! Denn lesen bedeutet nicht nur, in Geschichten einzutauchen, sondern es hat auch den schönen
Nebeneffekt, dass sich die Deutschnote extrem verbessert, ohne etwas dafür tun zu müssen.